Des Hallensprechers Angst vorm Echo

(Schwaig). Der 7. November 2020 geht in die Vereinshistorie der Volleyballer des SV Schwaig ein – aber nicht wegen des knallharten 3:0-Sieges (25:18, 25:14, 25:17) über den Zweitliga-Aufsteiger TV Bliesen. Vor allem das Drumherum beeindruckte die wenigen abzählbaren Anwesenden schwer.

Die Bliesener waren zufällig Teil jenes ungewohnten Anblicks, dass auf den Tribünen der Gelben Halle zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte seit 1967 niemand saß, weil sitzen durfte. Als „spooky“ bezeichnete Hallensprecher Peter Anacker die Atmosphäre, in der seine Mikrophon-Ansagen beinahe widerhallten. Und er war nicht allein mit seinem ungläubigen Kopfschütteln: SVS-Kapitän Florian Tafelmayer, der nichtsdestotrotz ein tolles Match ablieferte, beschrieb die entvölkerte Halle als „na ja“; und sein Kollege Yannick Klement nickte bei seinem „schon komisch“ ebenfalls. Immerhin, Perica Stanic relativierte die Situation später ebenso wie Trainer Milan Maric: „Schon als nur noch ein Fünftel der Zuschauer erlaubt waren, gegen Karlsruhe, wirkte das ja wie ein Geisterspiel“, sagte der Außenangreifer cool, bestätigt vom Coach, der mit seinen Mannen dieselbe Erfahrung bereits beim Auswärtssieg in Delitzsch gemacht hatte.

Für das Organisationsteam allerdings, für jene Handvoll Menschen also, die solch ein „Spiel ohne Seelen“ ja nun doch verlangt, war es eher ein seltsames Privileg: in einem Corona-November 2020 doch Bundesliga live erleben zu dürfen. Und so kam es, dass ihr Klatschen, ihre verstreuten Anfeuerungsrufe und die Stimmungsmusik von DJ Marcel Wysgalla den Ort zwar noch leerer erschienen ließen, doch auch innige Verbundenheit darstellten. Mit anderen Worten, heimelig war anders, doch die Einzigen, die sich in der großen Halle am Mittelbügweg eher verloren fühlten, waren wohl die saarländischen Gäste.

Bliesener rannten gegen eine Wand
Aus eindeutigem Grund: Die Aufsteiger hatten an diesem Abend einfach keine Chance. Innerhalb der kürzesten Spielzeit der bisherigen Saison, nur 66 Minuten, wurden sie vom SV Schwaig brachial an die Wand gedrückt. Keinmal vermochten die Bliesener in die Crunch-Zone zu kommen, die Gastgeber hatten sie völlig im Griff. Gleich im ersten Durchgang lagen sie über 1:6, 14:19 und 17:22 stets mit fünf Punkten hinten. Während die Mittelfranken so starteten, wie Libero Klement es sich vorher gewünscht hatte: Angesichts der fehlenden Heim-Atmosphäre mussten die Gelbblauen selbst in Wallung kommen. Und das taten sie auch in den Folgedurchgängen zwei und drei derart unerschütterlich und mit souveränen Finten, dass das einseitige, kurzweilige Duell insgesamt als eines der besten Saisonspiele bezeichnet werden darf.

In Passage zwei hatten die Bliesener, als sie von 6:14 auf 11:15 aufholten, ihre stärkste Phase des ganzen Matches. Doch die unermüdliche Abwehr des SVS ackerte unverdrossen weiter – von der konzentrierten Durchschlagskraft der Angriffs-Herren „Mike“ D., „Peky“ S. und „Flo“ T. ganz abgesehen. Es gab nicht einen wirklichen Moment, der einen Zweifel am SVS-Sieg aufkommen ließ. Die Gastgeber pflückten so gut wie jeden Ball, dabei schön in Szene gesetzt immer wieder vom 1,95-Meter-Zuspieler Nikola Scerbakov, der zum ersten Mal auch zum „Most Valuable Player“ gewählt wurde.

Den anfänglichen Charakter eines scheinbaren „Freundschaftsspieles“ (weil vor leeren Rängen) hatte das Spiel schnell abgelegt: Die Gegner schenkten sich nichts; es ging um drei Wertungspunkte, die für den SVS im neunten Saisonspiel wichtig waren. Doch wo sich normalerweise, beim Matchball, hunderte von Zuschauern respekt- und erwartungsvoll auf der Tribüne erheben, standen diesmal mit SVS-Masken vorm Gesicht: genau zwei. Es ertönte ein so nie gehörter Schlusspfiff, nachdem der TVB noch drei Matchbälle (vom 24:14 bis zum 25:16) hatte abwehren können. Fazit: Drei faire Punkte also für die kampffreudigen Franken nach ihrem sechsten Saison- und ersten 3:0-Sieg, die fünfte Niederlage für den Tabellenvorletzten, und nicht zuletzt Tusch und Jubel der Gelbblauen: möglichst lautstark für sich selbst.

Die Aussichten: Zum gegenwärtigen Stand der Dinge reisen die, von Milan Maric zu einer schönen Einheit geformten Nürnberger am kommenden Wochenende nach Kriftel −, bevor am 21. November das nächste Heimspiel ansteht. Doch Abteilungschef Hans-Peter Ehrbar unkt die geschilderte Ausnahme zur wahrscheinlichen Regel: „Ich gehe davon aus, dass wir leider auch gegen Grafing und im Dezember noch gegen Hammelburg keine Zuschauer in die Halle lassen dürfen“. Er hofft, dass er sich irrt, doch die vielen corona-bedingten Spielabsagen des laufenden Spieltages und die völlig zerfahrene Tabelle sprechen eine andere Sprache. Es gilt also abzuwarten und eben nicht mehr zu erleben, dass wieder – frei nach Dichter Peter Handke – Hallensprecher Anaker „Angst“ vorm eigenen Echo haben könnte.