Schwaiger Volleyballer „hatten einfach keine Angst“

(Schwaig). Die Volleyballer des SV Schwaig machten die Sensation perfekt und besondere Werbung für diesen Sport. Die Zweitligisten belohnten sich mit einem mitreißenden 3:1 (21:25, 25:23, 25:20, 29:27) über den favorisierten Erstligisten TSV Haching München nicht nur mit dem erstmaligen Einzug ins DVV-Viertelfinale, sondern damit auch mit dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Vor ausverkauftem Haus mit 500 Fans war ausschlaggebend: Sie hatten, wie Außenangreifer Max Bibrack anschließend strahlte, „einfach keine Angst“.

Den Gastgebern in ihren weißen Trikots, die zum vierten Mal in einem DVV-Pokal-Achtelfinale standen (nach 1991, 1992, 2005) und nach 17 Jahren also zum ersten Mal wieder, gelang es mit diesem Sieg erstmals, einen Erstligisten in einem Pflichtspiel zu bezwingen. Der Jubel am Mittelbügweg – eine unentwegt schallende Kulisse – kannte kein Ende. Die Zuschauer, die an diesem denkwürdigen 5. November schon um 18.30 Uhr sämtliche Parkplätze rund um die Hans-Simon-Halle belegt hatten und in zwei langen Schlangen voller Vorfreude am Einlass warteten, trugen ihre Helden stimmgewaltig und mit Pauken, Fahnen und Gesängen zum Sieg. Bereits der Vorverkauf war enorm gewesen, und alle, die je mit dem Schwaiger Volleyball zu tun hatten, waren an diesem Samstag da. Seit dem 7. Januar 2017, als 710 Zuschauer den damaligen Triumph über Eltmann sahen, jubelten nicht mehr so viel Fans am Mittelbügweg.

Der TSV war seinerseits „angeschlagen“ nach Schwaig gereist. In ihren ersten fünf Erstliga-Duellen hatten die Hachinger keinen Satz gewinnen können; gegen einen Zweitligisten suchten die Liga-Letzten nun endlich ein Erfolgserlebnis. Und anfangs gelang ihnen das auch. Nicht nur, dass die Schwaiger insgesamt 15 Aufschlagfehler produzierten, im ersten Durchgang waren es derer gleich zermürbende sechs. Doch das war ihrer Anfangsnervosität geschuldet und natürlich dem Respekt, den die Akteure von Trainer Milan Maric dem Gegner entgegenbrachten, in dessen Reihen mehrere Profispieler stehen, der an fünf Wochentagen meist zwei Mal trainiert und auch den jüngsten Bundesligaspieler überhaupt, den 14(!)-jährigen Libero Mika Takano in seiner Liste führt. Über 8:11 und 18:21 zeigten die Hachinger entsprechend, welche Angriffswucht und welch harte Aufschläge in ihnen steckten; sie schienen dabei selbst die lärmende Kulisse zu ignorieren, obwohl sie daheim vor durchschnittlich 150 Fans agieren. Die Anfangsfulminanz der Gäste war also heftig; nicht nur für Max Bibrack – am Schluss zum „MVP“ gewählt – war der beeindruckende TSV-Doppelblock „eine Wand, die immer da war“.

Schwaiger waren alle dabei
Für die aktuellen SVS-Akteure war es das erste Match gegen einen Erstligisten überhaupt; mit in den Reihen der Schwaiger – es war alle fit und alle im Einsatz – auch Zuspieler Jonas Daschke aus der 2. Mannschaft. Das Team brannte auf diesen Job; jeder Punkt wurde 500-fach umjubelt, und schon im zweiten Satz wandelte sich das Geschehen nachhaltig: Die Franken hatten ihre Nervosität abgelegt und zauberten sich über 12:9, 16:13 und 20:17 dermaßen in Spiellaune, dass sich TSV-Trainer Bogdan Tanase gezwungen sah, eine erste Auszeit (von insgesamt vier) zu nehmen. Mehr und mehr mussten die Gäste registrieren – und ihre 20 Auswärtsfans −, dass sich der SVS keinesfalls bescheiden „neigen“ würde. Im Gegenteil: Mit erstklassigen Blocks von Sven Kellermann, dem konzentrierten Zuspiel von Moritz Gärtner, der Gewieftheit aller Angreifer, Liberos und letztlich dem umtosten 25:23-Satzausgleich zum 1:1 hatten die Mittelfranken nicht nur die Herausforderung endgültig angenommen. Sondern auch bemerkt, dass der TSV sehr wohl schlagbar war. Dieser gewonnene zweite Satz verlieh ihnen Flügel.

Im dritten setzte sich daher das große Augenreiben bei den Einhalbtausend Zuschauern fort: Grandios verlor der SVS jedwede Scheu, führte beim 19:14 mit fünf und beim 23:17 sogar mit sechs Punkten. Für solche Sätze, das bezeugten alle, leben Volleyballer −, ein glücklicher Milan Maric wusste seinen Mannen nicht jetzt und auch nach dem Duell nicht genug Lob und Anerkennung zu zollen. Zwei Satzbälle konnte der TSV noch von sich weisen, dann war´s geschafft. Der „Underdog“ führte sensationell mit 2:1, und niemand in der bebenden Halle hatte das Gefühl, dass „das“ noch schiefgehen könnte −, wenngleich die Spannung zum Zerreißen war.

Höhepunkt war der vierte Satz
Würden nämlich die starken Hachinger, jetzt mit dem Rücken zur peinlichen Wand des Ausscheidens gegen einen Zweitligisten, noch einmal alles einwerfen? Ja, würden sie. Ihnen schwammen die Felle davon, die Zuschauer witterten die Sensation. Doch die Gäste konnten ihr Leistungslevel (einzelner Akteure, wie etwa Philipp Schumanns, Quentin Zellers oder Sebastian Röslers) „nur“ auf ihrem gleichbleibend hohen Niveau halten, während sich das Schwaiger Kollektiv – alle zwölf waren in den 111 Minuten zum Einsatz gekommen − von Satz zu Satz mehr überbot: Bis hin zum fulminanten Höhepunkt im letzten Durchgang, als der TSV vom 23:24 (aus seiner Sicht) bis zum 27:27 vier Matchbälle nervenstark abwehrte, um nach dem fünften um exakt 21.39 Uhr in Frustration zu versinken. 27:29. 1:3. Ausgeschieden.

Die Gelbe Halle stand danach Kopf, alles war nur noch Geschrei, Tanzen und Jubel. Sie hatten einen großen, verdienten Abend für den SV Schwaig miterlebt; die vielen Fans, so Bibrack später, „haben uns gepusht, es war Wahnsinn“. Und wunderbar, wie Coach Milan Maric sich vorm Spiel bescheiden geirrt hatte: „Wir wollen lieber durchgehend super spielen und 0:3 verlieren, als nach einem herausragenden Satz unterzugehen.“ Gar nichts verloren seine Männer, niemand ging unter, im Gegenteil: Jetzt folgt am Mittwoch, 23. November, daheim das Viertelfinale; der Gegner ist noch nicht zugelost. Die Gelbe Halle jedenfalls wird dann wieder zum Zentrum eines dramatischen Versuches, wenn der nächste Erstligist dort gewinnen will.