Einen Felsen vor die Dampfwalze
(Schwaig). Was für ein Spektakel, was für eine wunderbare Niederlage! Die Zweitliga-Volleyballer des SV Schwaig schieden in ihrem Pokalfight gegen die übermächtigen Erstligisten der SWD powervolleys Düren erwartungsgemäß aus. Doch dass sie den 3. Satz gewannen (19:25, 17:25, 29:27, 16:25), darf angesichts der Gäste-Vehemenz als I-Tüpfelchen gelten.
Denn ohnehin erfüllte das höchstrangige Pflichtspiel der Vereinsgeschichte alle Erwartungen, war eine Werbung am Mittelbügweg, ein Stolz für alle 500 Fans, die die Hans-Simon-Halle zu einem Tollhaus machten – und ein Moment vereinshistorischen Respekts, den sich alle Akteure erarbeitet haben.
Fürs Viertelfinale zugelost worden waren die Tabellenvierten der 1. Bundesliga, die Powervolleys aus dem rheinländischen Düren, aktueller Champions-League-Teilnehmer und hoher, sehr hoher Favorit. In der Gelben Halle, an diesem Abend gleichsam im „Land des Lächelns“, trafen die Teams fair und mit gegenseitiger Neugier aufeinander: Die Schwaiger lächelnd ob ihrer trotzigen Unter- und die Gäste lächelnd ob ihrer gelassenen Überlegenheit. SVS-Trainer Milan Maric hatte den großen Spaß seines Teams wohlwollend angekündigt: „Wir nehmen heute alles gerne alles mit, was wir kriegen; und wir wollen, dass die Zuschauer glücklich nach Hause gehen“.
Schon beim Einlaufen der Schwaiger um 18.30 Uhr in die Arena gelang das: Es brandete ein Applaus auf, als lägen nicht die Spieler den Fans, sondern die ihnen ohne Wenn und Aber zu Füßen. Die Stimmung war explosiv, dröhnend, mit Gänsehaut-Effekt bis hin auf den letzten gedrängten Tribünenplatz. Alle 14 SVSler sollten im Laufe des Abends ihr Vergnügen haben (darunter Zuspieler Fabian Wagner, der vom TSV Grafing dazu gestoßen ist); mit dabei waren zudem Philipp Häußler und Jonas Daschke aus der Drittliga-Mannschaft. Die Rheinländer waren ihrerseits bereits am Dienstag angerückt, hatten in einem Nürnberger Hotel am Valznerweiher übernachtet und am Mittwochmorgen für sich in der Halle trainiert – während die Schwaiger Aktiven ihrem Arbeitstag nachgingen.
Bereits am Vortag angereist
Dann, ab 19.30 Uhr an diesem denkwürdigen 23. November, fackelten die Gäste auch nicht lange in der restlos ausverkauften, restlos begeisterten Szenerie. Eine coole Phalanx von einigen über 2 Meter großen Akteuren – die Zuschauer staunten namentlich unter anderem über Björn Andrae, Luuc van der Ent, Zuspieler Eric Burggräf oder Michael Andrei – trümmerte 106 Minuten lang unbarmherzig auf die Mittelfranken ein, als gäbe es kein Morgen. Gefühlt insgesamt 20 Asse versenkten die Gäste im Schwaiger Quadrat (allerdings fabrizierten sie auch insgesamt 16 Aufschläge ins Netz, der SVS nur zehn). Eilig führten die Rheinländer im ersten Satz mit fünf (10:15), sechs (13:19), sieben Punkten Vorsprung (14:21); sie walzten mit ihren ausgreifenden Blocks und donnernden Aufschlägen rigoros alles nieder. Die Lunte, die die Schwaiger nach ihrem Überraschungs-Erfolg über Haching gerochen zu haben wagten, war insofern ausgetreten –, der trotzige Fight der weiß gekleideten „Underdogs“ gleichwohl ein Genuss, denn die Franken hatten ja nichts zu verlieren. Sie lächelten.
Sie lächelten auch im zweiten Abschnitt, in dem sie gar mit neun Punkten (8:17, 11:20) zurücklagen und ihnen „nur“ – oder immerhin – 17 Punkte gelangen. Doch egal. Gegen diese Wucht anzugehen, war eine bis zu dem Zeitpunkt unlösbare, schöne Aufgabe. Wie „Mike“ Dzierwa (er wurde später „MVP“) und Max Bibrack immer wieder Lücken im Mauerblock der Powervolleys fanden, wie Zuspieler Moritz Gärtner zum 7:11 einen Lob hochspringend-frech direkt in den Dreimeter-Raum lobte, wie die Ballannehmer angesichts der brachialen Aufschläge zuweilen verzweifelten – selbst Yannick Klement und Veit Dobbertin –, wie alle kämpften und nie nachließen, das alles war eine Augen- und Herzensfreude. Beim Stand von 15:20, der SVS hatte vom 11:20 an aufgeholt, musste Düren erstmals eine taktische Auszeit nehmen; das coole Lächeln war den Gästen kurzzeitig vergangen. Sie wussten nun, warum der SVS die Hachinger bezwungen hatte.
Grandiosester Satz der Vereinsgeschichte
Auf der anderen Seite jedoch war er eben tatsächlich da, dieser Spaß am Sich-verkloppen-Lassen, welcher letztlich den Geist ent- und die Muskeln zu Höchstleistungen anspannte, bis hin zu einem folgenden dritten Durchgang, wie es ihn in Schwaig wohl noch nie zu sehen gab. Spätestens beim 12:7 und 15:12 für den SVS kam bei den Dürenern das Goliathsche Lächeln so gar nicht mehr auf, und all ihre Routine und Kondition nutzten nichts, als die Gastgeber mit unfassbaren Ballwechseln plötzlich 23:22 führten. Bis zum 25:25 hatten die Powervolleys dann drei Satzbälle abzuwehren, die Schwaiger beim 25:26 einen Matchball, beim 27:27 begann das Drama von vorn, beim 28:27 hörte im Geschrei, Getrommel und Getöse keiner mehr sein eigenes Wort, beim 29:27 brachen alle Dämme. Der „kleine Zweitligist“ hatte dem Champions-League-Team einen Satz abgeluchst, immerhin einen Felsen vor die Dampfwalze gerollt; es war gelungen, wie Kapitän Florian Tafelmayer zuvor gehofft hatte, „die Dürener ein bisschen zu ärgern“.
Gleichwohl hielt der Triumph nicht lange an, denn selbstverständlich wollten sich die Gäste danach nicht länger vorführen lassen; die Blamage wäre zu peinlich gewesen. Das aufkeimende bisschen SVS-Hoffnung auf einen weiteren Satzgewinn kümmerte im vierten Satz denn auch schnell dahin: Zwar konnten die Franken noch bis zum 5:6 und 10:13 mithalten – und Dürens Trainer Rafal Murczkiewicz erlaubte sich beim 16:21 durchaus einen Jubel der Erleichterung, denn drei taktische Auszeiten hatte er fürs Team insgesamt nehmen müssen, um die mittelfränkischen Rebellen ernst zu nehmen und zu bändigen –, jetzt jedoch holten die Rheinländer mit Ingrimm den Knüppel des Klassenunterschiedes heraus. Es ging zügig, schmucklos, dominierend: Der SVS schaffte keinen Punkt mehr; 1:3 hieß es, aus, die zauberhafte Teilnahme am DVV-Pokal 2022 war beendet.
Es geht Samstag in den Alltag zurück
Doch das Fazit aus Gastgebersicht ist klar: Gegen einen solchen Rivalen zu unterliegen, war allen Teilnehmern eine Ehre, trotz Niederlage das Duell großartig, sowie der spielerische Abstand von der ersten zur zweiten Bundesliga offenkundig. Mit Stolz jedoch dürfen die SVSler ihr Haupt neigen; es waren die zwei Matches gegen Haching und Düren solche, die richtig Lust auf die 1. Bundesliga gemacht haben –, und sie werden allen lange in Erinnerung bleiben. Die 500 Zuschauer dankten es dem Maric-Team mit tosenden Standing Ovations. Und übrigens: „Nein, es gab für unser Erreichen des Achtel- und des Viertelfinals keine Geldprämie vom DVV“, bedauerte Abteilungsleiter Hans-Peter Ehrbar. Einzig die Zuschauereinnahmen verblieben – gemäß Regularien des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV) – allein beim SVS.
Die Schwaiger nun werden ihre Leistung mit in ihr alltägliches Zweitliga-Geschehen nehmen – wenn es bereits am jetzigen Samstag gegen den ASV Dachau geht, wieder am Mittelbügweg, wieder um 19.30 Uhr. Wieder mit viel Lächeln.
Im Schwaiger Team standen: Trainer Milan Maric, Veit Dobbertin, Moritz Gärtner, Yannick Bibelriether, Max Bibrack, Yannick Klement, Simon Breinbauer, Christian Schwabe, Kapitän Florian Tafelmayer, Sven Kellermann, Michal Dzierwa, Christian Starosczik, Philipp Häußler, Fabian Wagner und nicht zuletzt Jonas Daschke.